Der Logiker


Seine Skulpturen basieren auf Sinus und
Cosinus: Timo Nasseri macht aus Mathematik
glänzende Kunstwerke.

S eit er denken könne, hätten ihn auf Reisen nach Iran, die Heimat
seines Vaters, die geometrisch gegeneinander versetzten Stuck -
elemente an den Eingängen von Moscheen fasziniert, erzählt Timo Nas-
seri, 40. Weil er verstehen wollte, wie das System komplexer Dreiecke
der Muqarnas funktioniert, landete er bei der Mathematik, bei Sinus,
Tangens und Cosinus. Er zeichnete Dreiecke, die er streng logisch mit-
einander verband, verdichtete und rhythmisierte, unkorrigierbar mit
weißer Tusche, auf großen schwarzen Pigmentpapieren. Irgendwann
beschloss er, sie dreidimensional in Skulpturen umzusetzen, in eine Art
konkave Schale, die ein „Lichtfänger aus spiegelnden Dreiecken“ sein
sollte – und die ein Publikumsfänger wurde. Die erste in die Wand ein-
gelassene Skulptur, die Nasseri vom tiefsten Punkt aus mit rund 600
spitz zulaufenden, dünnen, auf Hochglanz polierten Edelstahlflächen
aufbaute, war 2008 auf der Messe in Basel sofort verkauft. Jetzt hängt
sein neues Objekt im Pariser Grand Palais und spiegelt die
 Umgebung fragmentiert und kaleidoskopartig wider. In der Fell-
bacher Gruppenschau allerdings zeigt Nasseri kleine Gipsskulp-
turen auf Sockeln. Modelle seien das nicht, sagt Nasseri, sondern
sie zeigten „aufgedoppelt und umgekrempelt“ das Volumen der
großen glitzernden Arbeiten. Und warum die raue Oberfläche?
„Vielleicht, weil heute Kunst nicht schön sein darf und Attrakti-
vität abschreckt?“, sagt Nasseri. Und lacht. 

INGEBORG WIENSOWSKI
KulturSPIEGEL 26